DIE SCHWARZE WINDMÜHLE (1974) – Filmkritik | Fluxkompensator (2025)

„Ein schwaches Lüftchen“

Wir greifen wieder einmal in die Archive der Filmgeschichte. Regisseur Don Siegel und Hauptdarsteller Michael Caine sind schon einmal gute Indizien für einen qualitativ hochwertigen Film. Zudem handelt DIE SCHWARZE WINDMÜHLE von der britischen Spionage. Man hört förmlich schon das markante Bond-Musikthema im Hintergrund und freut sich auf einen unterhaltsamen Filmabend mit einer persönlichen Neuentdeckung. Leider ist dieses Mal der Griff in die cinephile Historie nicht von Glück begleitet. DIE SCHWARZE WINDMÜHLE ist nur ein mittelprächtiges Erlebnis, was vor allem an der fehlenden Spannung liegt und das ist doch das Lebenselixier eines jeden Thrillers.

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Handlung

Major John Tarrant (Michael Caine), seines Zeichens MI6-Agent, soll eine terroristische Zelle infiltrieren, die einen Waffenschmuggel an nordirische Terroristen in die Wege leitet. Deren Mitglieder stellen sich jedoch cleverer heraus als erwartet und entführen Tarrants Sohn, um ungeschliffene Diamanten im Wert von einer halben Million Pfund zu erpressen, genauer gesagt von seinem Arbeitgeber dem britischen Geheimdienst. Diesem ist ein Kinderleben jedoch nicht so viel wert und man spielt den Fall herunter. Vor allem sein Vorgesetzter Cedric Harper (Donald Pleasence) könnte die Situation seines Agenten kaum egaler sein. Wenn Tarrant seinen Sohn wiedersehen will, muss er nicht nur seinen Befehlen trotzen und die Kidnapper setzen ihn zusätzlich mit falschen belastenden Beweisen unter Druck.

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Don Siegel und Michael Caine

Don Siegel war ein Ausnahmeregisseur Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre. Mit Filmen wie NUR NOCH 72 STUNDEN (MADIGAN, 1968) oder DIRTY HARRY (1971) hat er sich ein paar Kerben in die Geschichtsbücher der großen Studios eingraviert. Siegel war vor allem bei seinen Auftraggebern bliebt, weil er zügig und effizient seine Projekte abschloss. Meist im Thriller-Genre unterwegs, brachte er es zu einer umfangreichen Filmografie. Ein kleiner Sonderling von ihm, den man gesehen haben sollte, ist der Science-Fiction-Film DIE DÄMONISCHEN (INVASION OF THE BODY SNATCHERS, 1956), den er selbst als seinen gelungensten Film bezeichnet.

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Den britischen Schauspieler Michael Caine braucht man kaum groß vorstellen. Vor allem als alter, weiser Nebendarsteller wurde er in den letzten Jahren bei Christopher Nolan zur Standardbesetzung. Spätestens in den 60ern zählte Caine schon zu den britischen Superstars, was er seinen Rollen mit Herkunft in der Arbeiterklasse mit Cockneyakzent zu verdanken hatte, denn die kamen beim Kinopublikum gegenüber dem vorherigen adligen Theater auf der Leinwand gut an. Zum berühmten britischen Geheimagenten ihrer Majestät hat es leider nie gereicht. Sean Connery und Roger Moore füllten diese Rolle zu gut aus. Vielleicht war auch dies ein Grund, warum Caine die Rolle des unter Druck geratenen MI6-Agenten in Don Siegels DIE SCHWARZE WINDMÜHLE annahm.

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Die Inszenierung

Man wird das Gefühl nicht los, dass Schauspieler und Regisseur sich schlecht verstanden haben. Die schnellen Drehtage Siegels, mit der flippigen, agilen Kameraführung von Ousama Rawi, scheinen Caine geradezu einzuschüchtern. Er steht oft mit dem Rücken zur Wand, was den Umständen seiner Figur sicher dienlich ist, aber dem Kennenlernen des Zuschauers voll im Wege steht. Der Agent soll gefühlskalt sein, aber vor allem bei Momenten mit Ex-Ehefrau Alex Tarrant (Janet Suzman) ist es leider nur schlechtes Theater.

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Wenn ein Film mit seiner Hauptfigur nicht so recht glänzen will, ist die Stunde des Bösewichts gekommen. Entführer McKee wird von John Vernon geradezu mit bösartiger Präzision gespielt, selbst seine Begleiterin Ceil Burrows (Delphine Syrig) lässt er spätergefühlskalt als totes Indiz zurück. So lebt DIE SCHWARZE WINDMÜHLE auf der darstellerischen Ebene vor allem vom Schurken. Donald Pleasences MI6-Chef ist mit seinem Schnurbartgefummel und Taschentuch-Getupfe leider nur noch lächerlich und war es 1974 sicherlich auch schon.

Wenn man den Film jetzt schaut, interessieren den Zuschauer vor allem die Szenenbilder und die echten Drehorte in London, Sussex und Paris. Das bewahrt einen davor in der ersten Filmhälfte nicht einzuschlafen, wenn in der Mitte noch einmal etwas Fahrt aufgenommen wird und es zu einem kaltblütigen Ende führt. Typisch für die Gewalt in Don Siegels Filmen, ist man doch ab und zu geschockt. Ein Kind, was verprügelt und mit LSD voll gedröhnt wird, sieht man in Produktionen heutzutage eher weniger.

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Unfreiwilliges Highlight ist die Fahrt mit dem Hovercraft über den Ärmelkanal von Calais nach Dover in dem sich Tarrant sogar in einem Reisebus im Fahrzeugbereich versteckt. Wahnsinn wie die Menschen früher zwischen Frankreich und England gereist sind. Im Jahr 2000 wurde diese Art des Reisens eingestellt und nur noch mit kleineren Hovercrafts zu den nahen Inseln des britischen Empires gefahren. Jetzt geht es als Ersatz unter dem Ärmelkanal durch den Eurotunnel.

Mediabook

Die behäbige Handlung und das Schauspiel auf Sparflamme wird geradezu vom Mediabook überblendet. Das Bild sieht aus wie frisch aus dem Fotolabor und man erkennt, welch saubere Arbeit der damalige DOP in den Bereichen Schärfe und Kontraste leistete. Die Blu-ray wartet mit ein paar Trailer und Interviews im Bonusmaterial (knappe Stunde) auf. Der Ton ist sauber abgemischt. Jedoch empfiehlt es sich die Original-Tonspur zu wählen, weil die deutsche Synchronisation geradezu valiumschwanger gesprochen wirkt, was dem trockenen Schauspiel den Rest gibt. Dennoch, so eine Bild- und Tonqualität wünscht man sich von so manchem Film aus den 1970er Jahren.

Fazit

Eine Empfehlung kann nur an Don-Siegel- und Michael-Caine-Komplettisten gegeben werden. Sie werden vor allem mit diesem Mediabook ein schickes Stück in ihre Sammlung aufnehmen dürfen. Über diesen kleinen Kreis hinaus, lässt es sich kaum weiterempfehlen. Zu sperrig, zu zäh und vor allem zu lieblos wird der Spionagethriller erzählt, wie auch inszeniert. Auch wenn der finale Kampf im Kopf haften bleibt, wird man sich an die gähnende erste Hälfte ungern zurückerinnern wollen.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewDie schwarze Windmühle (1974)
OT: The Black Windmill
PosterDIE SCHWARZE WINDMÜHLE (1974) – Filmkritik | Fluxkompensator (8)
Releaseseit dem 11.06.2020 auf Blu-ray im Mediabook

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RegisseurDon Siegel
Trailer
BesetzungMichael Caine (Maj. John Tarrant)
Donald Pleasence (Cedric Harper)
Delphine Seyrig (Ceil Burrows)
Clive Revill (Alf Chestermann)
John Vernon (McKee)
Joss Ackland (Chief Supt. Wray)
Janet Suzman (Alex Tarrant)
Catherine Schell (Lady Melissa Julyan)
Joseph O'Conor (Sir Edward Julyan)
Denis Quilley (Bateson)
Buchvorlagebasiert auf dem Roman SEVEN DAYS TO A KILLING von Clive Egleton
DrehbuchLeigh Vance
KameraOusama Rawi
FilmmusikRoy Budd
SchnittAntony Gibbs
Filmlänge106 Minuten
FSKab 16 Jahren

Christoph Müller

Chefredakteur

Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter

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